Fragen zu Möglichkeiten des Rechtschutzes gegen staatliche Maßnahmen und Beschränkungen
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GERICHTSENTSCHEIDUNGEN:
10.05.2020
Verkaufsfläche von Einzelhandelsgeschäften Begrenzung auf 800 Quadratmeter bestätigt
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Beschluss vom 29.04.2020 - 13 B 512/20.NE beschlossen, dass die anlässlich der Corona-Pandemie verordnete grundsätzliche Verkaufsflächenbeschränkung von Ladengeschäften auf 800 Quadratmeter vollziehbar bleibt.
Gemäß der in Nordrhein-Westfalen erlassene Coronaschutzverordnungist der Betrieb von Verkaufsstellen des Einzelhandels auf eine Fläche von 800 Quadratmeter begrenzt, sofern diese nicht ausdrücklich privilegiert sind. Privilegiert sind Einzelhandelsgeschäfte, die der Versorgung der Bevölkerung mit Artikeln des Grundbedarfs dienen, insbesondere Buchhandlungen, Einrichtungshäuser, Babyfachmärkte und Verkaufsstellen des Kraftfahrzeug- und des Fahrradhandels. Hiergegen wandte sich ein Unternehmen, das in seinen Warenhäusern Mode-, Lifestyle- und Luxusartikel anbietet.
Das OVG führt aus, dass die Verkaufsfläche ein Kriterium für eine unterschiedliche Behandlung einzelner Einzelhandelsbetriebe sein dürfe. Geschäfte mit einer großen Verkaufsfläche hätten typischerweise ein großes Sortiment, woraus eine Attraktivität für eine besonders hohe Zahl an Kunden resultiere. Nach dieser Auffassung könne die Beschränkung der Verkaufsfläche die Kundenströme im Sinne der Corona Schutzmaßnahmen lenken.
Das Gericht räumt ein, dass derzeit allerdings offen sei, ob es mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sachlich gerechtfertigt sei, dass großflächige Einzelhandelsgeschäfte ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter reduzieren müssten, während andere nicht der Grundversorgung dienende Handelsgeschäfte auf gesamter Fläche öffnen dürften. Auch dürfen in Shopping Malls und ähnlichen Einrichtungen viele kleine Geschäfte auf zum Teil engem Raum ihre Waren anbieten.
Insgesamt überzeugt uns die Beschränkung auf 800 m2 nicht. Rechtlich vertretbar dürfte ebenso ein Bündel alternativer Maßnahmen, wie Hygiene-Vorschriften, Zugangskontrollen und Steuerung der Kundenbewegungen im Kaufbereich sein. Mit entsprechender Argumentation sollten zukünftig auch die Gerichte zu überzeugen sein.
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Verwaltungsgericht Köln äußert sich zu den Maßstäben der Prüfung von Anträgen auf Sorforthilfe:
Keine vorläufige "NRW-Soforthilfe 2020" ohne glaubhaft gemachte Existenzgefährdung
Das Verwaltungsgericht Köln hat sich am 08.04.2020 im Beschluss - 16 L 679/20 mit der Frage beschäftigt, ob ein Handwerker im gerichtlichen Eilverfahren die "NRW-Soforthilfe 2020" über einen einstweiligen Rechtschutz einklagen kann.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist dies dann nicht möglich, wenn der Antragsteller nach der Corona-Schutz-Verordnung weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen kann und eine Existenzgefährdung durch die Corona-Krise nicht glaubhaft gemacht wurde.
Hintergrund
Ein Handwerker beantragte bei der Bezirksregierung Köln über einen Online-Antrag die Gewährung der NRW-Soforthilfe 2020 in Höhe von 9.000 Euro. Die Bezirksregierung Köln lehnte allerdings diesen Antrag ab, da die Voraussetzungen wohl nicht vorlägen.
Der beantragende Handwerker behauptete, er sei in seiner wirtschaftlichen Existenz durch die Corona-Krise bedroht, da die Hälfte seiner Aufträge weggefallen sei.
Einfacher Zugang zu Staatshilfen nicht für jeden
Da dem Handwerker als Elektrofachbetrieb anders als bei anderen Gewerken – der weitere Betrieb des Unternehmens unter Beachtung der Vorkehrungen zum Schutz vor Infektionen sei ihm nach § 7 der nordrhein-westfälischen Corona-Schutz-Verordnung möglich.
Daher müsse der Handwerker dem Gericht plausibel machen, wieso ihm trotzdem aufgrund der Corona-Krise eine Existenzgefährdung drohe.
Gegen den Beschluss können die Beteiligten Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einreichen.
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Verwaltungsgericht Aachen äußert sich zu den Voraussetzungen für Ladenschließungen:
Händler klagt erfolgreich gegen Ladenschließung
Das Aachener Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 03.04.2020, Az.: 7 L 259/20, sich zu den Voraussetzungen der rechtmäßigen Ladenschließung geäußert. Es hat einem Eilantrag eines Weinhändlers stattgegeben, der sich gegen eine Schließungsanordnung der Stadt Aachen gewendet hatte.
Die Stadt Aachen vertrat den Standpunkt, dass „Wein“ nicht als Lebensmittel im Sinne der Corona-Schutzverordnung einzustufen sei, da es nur ein Genussmittel sei. Der Lebensmittelbegriff müsse eingeschränkt angewandt werden, so dass nur dringend erforderliche Lebensmittel des täglichen Bedarfs hierzu zählen.
Das Verwaltungsgericht Aachen teilt diese Auffassung nicht und beruft sich auf eine Klarstellung des Landesministerium NRW für Arbeit, Gesundheit und Soziales, wonach auch der Betrieb von Einzelhandelsgeschäften für Genussmittel durch die Schutzverordnung gedeckt sei, untermauert das Gericht seine Entscheidung. Der Begriff "Lebensmittel" sei umfassend zu verstehen und nicht auf die für die Grundversorgung der Bevölkerung notwendigen Lebensmittel beschränkt.
Der Weinhändler dürfe sein Geschäft daher nach der zunächst erfolgten Schließung wieder öffnen.
Gegen den Beschluss kann die Stadt Aachen beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster Beschwerde einlegen.
Dass auch eine Beschwerde gegen Ladenöffnungen unter Umständen Erfolg haben könnte, zeigt eine andere Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster wonach ein Eilantrag gegen die Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts erfolglos blieb.
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Das Oberverwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 06.04.2020 - 13 B 398/20.NE entschieden, dass die Betriebsuntersagung für Verkaufsstellen des Einzelhandels weiterhin gilt:
Die vom Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen erlassene Coronaschutzverordnung untersagt den Betrieb von Verkaufsstellen des Einzelhandels, soweit sie nicht ausdrücklich privilegiert sind. Privilegiert und damit weiterhin erlaubt sind im Wesentlichen nur noch solche Einzelhandelsbetriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Artikeln des Grundbedarfs dienen.
Hiergegen wandte sich ein Händler der in Haushaltswaren und Geschenkartikel vertreibt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers Erlaubnis der Ladenöffnung abgelehnt.
Das Oberverwaltungsgericht entschied, die grundsätzliche Betriebsuntersagung belaste die betroffenen Unternehmen nicht unangemessen.
Zweck der Corona Schutzverordnung ist eine weitgehende Reduzierung persönlicher menschlicher Kontakte, um die Ausbreitung des im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren neuartigen Coronavirus zu verlangsamen. Das schließe die Vermeidung nicht zur Deckung des Grundbedarfs notwendiger Kundenkontakte ein, so das OVG.
Bei der Abwägung der Verhältnismäßigkeit ist nach Ansicht des Gerichts zu berücksichtigen, dass die Eingriffsintensität für die betroffenen Betriebe durch eine Ausnahmeregelung für den Versandhandel und die weiterhin bestehende Möglichkeit zur Auslieferung oder Abholung der Waren abgemildert werde. Die durch Ladenschließungen betroffene Berufsfreiheit des einzelnen Händlers müsse gegenüber dem Schutz von Leben und Gesundheit der Allgemeinheit zurücktreten.
Das Gericht verwies ferner auf die Möglichkeit der Händler Staatshilfen in Anspruch zu nehmen und verwies ebenfalls auf die zeitliche Begrenzung der Maßnahmen.
Da die zeitliche Begrenzung zunehmend längerfristig ist und die Staatshilfen endlich sind, bleibt abzuwarten, ob zukünftige Anträge von Händlern gegen die Beschränkungen mit diesen Argumenten von den Gerichten noch abgelehnt werden können.
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Es berät Sie Rechtsanwalt Marc Oliver Stinglwagner
Rechtsanwalt Marc Oliver Stinglwagner
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
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